- Regie: Yang Chao
- Drehbuch: Yang Chao
- Kinematografie: Mark Lee Ping-bing (In the Mood for Love)
- Genre: Poetisches Drama, Roadmovie
- Dauer: 116 Minuten
- Sprache: Mandarin
- Premiere: Berlinale 2016
Handlung
Crosscurrent folgt der Reise von Gao Chun (Qin Hao), einem jungen Frachtschiffkapitän, der die Wasserstraßen des Jangtsekiang (Yangtze) hinauffährt. Die Geschichte beginnt nach dem Tod seines Vaters, als Gao Chun das Kommando über das Frachtschiff übernimmt, um eine geheimnisvolle Ladung flussaufwärts zu transportieren.
Während seiner Reise entdeckt Gao Chun ein altes Gedichtbuch, das in Rätseln von den Orten entlang des Flusses erzählt. Bei jeder Station trifft er auf An Lu (Xin Zhilei), eine mysteriöse Frau, die sich scheinbar mit dem Fluss und den Stationen auf einer spirituellen Ebene verbindet. An Lu erscheint und verschwindet auf rätselhafte Weise und scheint eine Verkörperung der Zeit, des Lebens und des Flusses selbst zu sein.
Je weiter Gao Chun den Fluss hinauffährt – gegen die Strömung und sinnbildlich gegen die Zeit –, desto tiefer taucht er in die philosophischen und spirituellen Geheimnisse des Jangtsekiang ein. Schließlich erreicht er die Quelle des Flusses, die für ihn nicht nur ein geografischer, sondern auch ein persönlicher Wendepunkt ist.
Themen und Motive
- Spirituelle Reise:
Crosscurrent ist mehr als eine physische Reise den Fluss hinauf – es ist eine metaphysische Erkundung von Identität, Erinnerung und dem Zyklus des Lebens. - Symbolik des Flusses:
Der Jangtsekiang, Chinas längster und historisch bedeutsamster Fluss, wird zum Symbol für Kontinuität und Veränderung. Der Film zeigt den Konflikt zwischen Modernisierung (z. B. durch den Drei-Schluchten-Staudamm) und traditionellen Werten. - Zeit und Vergänglichkeit:
Der Film erforscht das Thema Vergänglichkeit durch die zyklische Natur des Flusses und die wiederkehrende Präsenz von An Lu. Die Reise gegen die Strömung wird als Versuch interpretiert, die Zeit umzukehren. - Poetische Struktur:
Die Geschichte ist in Kapitel unterteilt, die jeweils einem bestimmten Ort am Fluss gewidmet sind. Jedes Kapitel enthält Zitate aus dem Gedichtbuch, das Gao Chun liest, und verwebt die Poesie mit der Realität.
Herausragende Elemente
- Visuelle Meisterleistung:
Kameramann Mark Lee Ping-bing liefert atemberaubende Bilder, die den Fluss, die Landschaften und die Übergänge von Tag und Nacht in einer fast überirdischen Schönheit einfangen. Die Bilder sind oft von Nebel und Licht durchzogen, was den Eindruck einer traumhaften Welt verstärkt. - Langsame Erzählweise:
Der Film nimmt sich Zeit, um Momente der Stille, Reflexion und Natur zu zelebrieren. Dies verstärkt den meditativen Charakter der Geschichte. - Mystische Präsenz von An Lu:
Die Figur von An Lu ist keine typische weibliche Hauptrolle. Sie scheint eher eine metaphysische Kraft zu repräsentieren – eine Verbindung zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. - Gedichte als narrative Elemente:
Die im Gedichtbuch enthaltenen Texte sind mehr als nur literarische Einschübe; sie fungieren als Kommentare zur Handlung und als Fenster in die Seele der Hauptfigur.
Themen der Modernisierung und Zerstörung
Der Film greift subtil die Spannungen zwischen Tradition und Fortschritt in China auf. Der Jangtsekiang, einst ein Symbol des ungezähmten natürlichen Lebens, wurde durch den Drei-Schluchten-Staudamm massiv verändert. Diese Spannungen spiegeln sich in den Begegnungen von Gao Chun wider, da er mit einer Welt konfrontiert wird, die zunehmend ihre Wurzeln verliert.
Interpretationsansätze
- An Lu als Verkörperung des Flusses:
Einige Kritiker interpretieren An Lu als Personifikation des Jangtsekiang – fließend, rätselhaft und ungreifbar. Ihre Präsenz verändert Gao Chun und führt ihn zu einer tieferen Erkenntnis über sein Leben. - Reise als Metapher für das Leben:
Die Reise den Fluss hinauf kann als Lebensweg interpretiert werden, bei dem man mit eigenen Ängsten, der Vergangenheit und der Sterblichkeit konfrontiert wird. - Gedichte als Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart:
Die Gedichte sind eine Hommage an die reiche literarische Tradition Chinas und verbinden die spirituellen Aspekte der Geschichte mit kulturellen Wurzeln.
Auszeichnungen und Kritiken
- Crosscurrent wurde bei der Berlinale 2016 mit dem Silbernen Bären für die Beste Kamera ausgezeichnet.
- Der Film erhielt gemischte Kritiken:
- Lob gab es für seine visuellen und poetischen Qualitäten.
- Einige Kritiker bemängelten jedoch, dass die langsame Erzählweise und die schwer fassbare Handlung den Zugang erschweren könnten.
- Dennoch gilt der Film als künstlerisch und visuell herausragendes Werk, das einen wichtigen Platz im modernen chinesischen Kino einnimmt.
Vergleich mit anderen Filmen
- Fans von Wong Kar-wais In the Mood for Love könnten Crosscurrent für seine visuelle Ästhetik schätzen.
- Wer Apichatpong Weerasethakuls Filme wie Uncle Boonmee Who Can Recall His Past Lives mag, wird die poetische und spirituelle Tiefe von Crosscurrent genießen.
- Der Film erinnert auch an Tarkowskis Werke, insbesondere Stalker, wegen seiner symbolischen und meditativen Natur.
Fazit
Crosscurrent ist ein meditatives, visuell beeindruckendes Werk, das die Grenzen zwischen Realität, Poesie und Spiritualität verschwimmen lässt. Es ist ein Film für Cineasten, die sich von tiefgründigen Bildern, subtilen Erzählungen und kultureller Reflexion faszinieren lassen. Mit seiner einzigartigen Mischung aus Poesie und Film ist Crosscurrent ein Meisterwerk, das Zeit und Aufmerksamkeit verlangt – und dafür reich belohnt.